Tagebuch/ Diary

Tagebuch/ Diary

“Vom Sinn eines Tagebuches:
Wir leben auf einem laufenden Band, und es gibt keine Hoffnung, dass wir uns selber nachholen und einen Augenblick unseres Lebens verbessern können. Wir sind das Damals, auch wenn wir es verwerfen, micht minder als das Heute —
Die Zeit verwandelt uns nicht.
Sie entfaltet uns nur.
Indem man es nicht verschweigt, sondern aufschreibt, bekenmt man sich zu seinem Denken, das bestenfalls für den Augenblick und für den Standort stimmt, da es sich erzeugt. Man rechnet nicht mit der Hoffnung, dass man übermorgen, wenn man das Gegenteil denkt, klüger sei. Man ist, was man ist. Man hält die Feder hin, wie eine Nadel in der Erdbebenwarte, und eigentlich sind nicht wir es, die schreiben; sondern wir werden geschrieben. Schreiben heisst: sich selber lesen. Was selten ein reines Vergnügen ist; man erschrickt auf Schritt und Tritt, man hält sich für einen fröhlichen Gesellen, und wenn man sich zufällig in einer Fensterscheibe sieht, erkennt man, dass man ein Griesgram ist. Und ein Moralist, wenn man sich liest. Es lässt sich nichts machen dagegen. Wir können nur, indem wir den Zickzack unsrer jeweiligen Gedanken bezeugen und sichtbar machen, unser Wesen kennen lernen, seine Wirrnis oder seine heimliche Einheit, sein Unentrinnbares, seine Wahrheit, die wir unmittelbar nicht aussagen können, nicht von einem einzelnen Augenblick aus -.” (Frisch, Max. Schwarzes Quadrat. Zwei Poetikvorlesungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2008. 24 f.)

“Of the purpose of a diary: We live on a running tape, and there is no hope that we can catch up with ourselves and improve a moment of our lives. We are the then, even if we discard it, no less than the today -. Time does not transform us. It only unfolds us. By not concealing it, but writing it down, one confesses to one’s thinking, which at best is true for the moment and for the location, as it generates itself. One does not reckon with the hope that the day after tomorrow, when one thinks the opposite, one will be wiser. One is what one is. One holds out the pen, like a needle in the earthquake control room, and actually it is not we who write; but we are written. To write means to read oneself. Which is seldom a pure pleasure; one is frightened at every turn, one thinks oneself a cheerful fellow, and if one happens to see oneself in a windowpane, one realizes that one is a curmudgeon. And a moralist, if you read yourself. Nothing can be done about it. We can only, by witnessing and making visible the zigzag of our respective thoughts, come to know our essence, its confusion or its secret unity, its inescapability, its truth, which we cannot state directly, not from a single moment -.” (Frisch, Max. Schwarzes Quadrat. Zwei Poetikvorlesungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2008. 24 f.)

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