Fiktion

Fiktion

Man kann alles erzählen, nur nicht sein wirkliches Leben; — diese Unmöglichkeit ist es, was uns verurteilt zu bleiben, wie unsere Gefährten uns sehen und spiegeln, sie, die vorgeben, mich zu kennen, sie, die sich als meine Freunde bezeichnen und nimmer gestatten, dass ich mich wandle, und jedes Wunder (was ich nicht erzählen kann, das Unaussprechliche, was ich micht beweisen kann) zuschanden machen — nur um sagen zu können: »lch kenne dich.«
Man kann alles erzählen, nur nicht sein wirkliches Leben…” [Der kursive Text ist zitiert aus Max Frisch: Stiller.] (Frisch, Max. Schwarzes Quadrat. Zwei Poetikvorlesungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2008. 28)

“»Ich habe keine Sprache für die Wirklichkeit.« Natürlich hat sie niemand, aber der Schriftsteller ist sich bewusst, dass er sie nicht hat, und genau dieses Bewusstsein macht ihn zum Schriftsteller. Das tönt paradox. Ich glaube, in meinem Fall trifft es zu. In einem späteren Roman heisst der Schlüsselsatz: »Ich probiere Geschichten an wie Kleider.« Es bleibt uns nur die Fiktion.” (Ebd. 29)

“Die Fiktion entlarvt unsere Erfahrung der Realität.
Ich behaupte:
Wenn Sie mir nichts von Ihrem Leben erzählen, nichts von der Not mit dem Vater oder was immer es sei, nichts von alledem, keine Memoiren wenn Sie, stattdessen, nur fantasieren und wenn ich von Ihnen siebenundsiebzig Geschichten gehört habe, traurige und lustige, lauter erfundenes Zeug, so haben Sie von Ihrer wirklichen Person mehr verraten, als wenn Sie, und sei es noch so ehrlich, Ihre Biographie erzählen.
Ich meine:
Es gibt keine Fiktion, die nicht auf Erfahrung beruht.” (Ebd. 30)